Neue Westfälische, Paderborn
Eine schlichte Hörerfahrung in ein unerhofftes Erlebnis übergehen
zu lassen, ist bei literarischen Rezitationen kein Ding der Leichtigkeit,
besonders nicht, wenn es um dicht gestrickte Prosa geht. Bei Gerhard
Ferenschild ist das grundlegend anders. Der Germanist und Schauspieler
hat sich in seinem dritten Soloprogramm an drei frühe Erzählungen
des großen deutschen Romanciers Thomas Mann heran gewagt -
und das mit Bravour. Seine freie (!) Vortragskunst besticht durch
bildliche Berieselung und eine sonore Stimme, die Geschichten laufen
wie als Film vor dem inneren Auge des Zuhörers ab. ... Ferenschild
hat sich deshalb einen gesteigerten Unterhaltungswert zum Ziel gesetzt,
und er verspricht nicht zuviel. Gestik und Mimik beschränkt
der gebürtige Düsseldorfer auf das Wesentlichste, aber
jede Pointierung sitzt. Von der Detailversessenheit, der Doppelbödigkeit,
auf der sich alles abspielt, und auch von der leitmotivischen, bitterbösen
Ironie eines Thomas Mann geht nichts verloren, im Gegenteil: Alles
blüht auf. ... Gerhard Ferenschild rezitiert mit unübertriebener
Leidenschaft, und insofern würde auch ihm die Bezeichnung "Wunderkind"
- wäre er nicht schon vierzig - keinesfalls ungerecht werden.
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^^
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